Als Reisen noch Abenteuer war…
»Morgen werden wir zurückgehen«, sagte Don Juan, ohne mich anzusehen, und zeigte auf das Tal. »Wir werden
einen Rückweg finden und ihn auf dem Weg durch die Felder pflücken. Das heißt, wir werden ihn nur pflücken, wenn er auf unserem Weg ist. Er wird uns finden und nicht umgekehrt. Er wird uns finden – wenn er es will.«
„Die Lehren des Don Juan“, Carlos Castaneda
„Wenn du an einen neuen Ort gelangst, warte. Es braucht Zeit, bis die Seele nachkommt.“
nomadischen Indianern zugeschrieben
1979 bis 1980 reisten wir, gerade 20 geworden, zu zweit auf dem Landweg nach Indien. Mit Rucksack und in öffentlichen Verkehrsmitteln, Zug, Autobus, Schiff. In Asien benutzten wir zwei oder dreimal ein Flugzeug, wenn es keine passende Schiffsverbindung zu den Inseln gab.
Es war eine einzigartige Erfahrung, von Land zu Land ziehend immer wieder mit neuer Sprache, Kultur, Religion konfrontiert zu werden. Diesem Reisestil des Trampens bin ich nach Möglichkeit treu geblieben. Später, eingebunden in den Arbeitsalltag, stand weniger Zeit zur Verfügung, und grössere Strecken mussten dann doch per Flugzeug zurückgelegt werden.
1979-1980 Auf dem Hippie-Trail nach Indien und Südostasien

Alex und ich reisten auf dem Landweg nach Indien. Die Hitze des Vor-Monsuns in Nordindien trieb uns nach Nepal in die Berge des Himalaya, dann nach Bangladesh im Osten und weiter nach Südostasien, Sumatra, Borneo, Malaysia, Thailand. Manche Länder wie Burma, Vietnam oder Laos blieben uns aus politischen Gründen verschlossen. Andere, wie etwa die Philippinen oder Taiwan waren zu weit entfernt, nur mit teuren Flügen erreichbar. Wir waren etwa eineinhalb Jahre unterwegs und ich kehrte mit einer veritablen Hepatitis zurück. Es gab noch kein Internet, Telefonieren war teuer, wenn überhaupt möglich, und das Fotografieren erfolgte analog auf Diafilme, die wir gelegentlich nach Hause sandten. Einige davon sind nie angekommen.
1986 Djerba, Tunesien

Eine Ferienreise. Wir hatten einen Direktflug nach Djerba und zurück. Per Velo erkundeten wir die Insel. Ein Teppichhändler engagierte mich, seine schönsten Stücke zu fotografieren, damit er einen Katalog erstellen konnte. Die versprochene Vergütung ist nie eingetroffen.
Dann „Wüstensafari“. In Landrovern wurden wir an den Rand der Sahara gefahren und übernachteten ein oder zweimal in einer Oase. Lange suchten die Guides nach einem Skorpion. Nachdem alle ein Foto vom endlich gefundenen Tierchen gemacht hatten, wurde es zu Boden geschmissen und brutal zerstampft.
1992 Annapurna Circuit, solo

1992 wiederholte ich im Alleingang das Annapurna Trekking über den 5400m hohen Thorong Pass in Zentralnepal. Ich war im Arbeitsalltag integriert und musste deswegen mit dem Flugzeug reisen. Nepal war noch beinahe so ursprünglich wie beim ersten Besuch. In den Hügeln gab es keine fahrbaren Strassen, und Elektrizität war nur sporadisch vorhanden.
1994 Annapurna Circuit mit Nessi

1994 begleitete mich meine Schwester Nessi nach Nepal und über den 5400m hohen Thorong Pass. Der Monsun war noch in vollem Gange. Die Fahrt von Kathmandu zum Startpunkt des Trekkings musste abgebrochen werden, weil ein Erdrutsch die Strasse verschüttet hatte. Dann wanderten wir eine Woche lang praktisch permanent durch den Regen. Erstaunlicherweise war der Thorong Pass trotz der Niederschläge schneefrei und trocken.
1995 Albanien

Zehn Jahre zuvor, 1985, war der Diktator Enver Hoxha gestorben. Die Isolation des erz“kommunistischen“ Landes dauerte noch weitere fünf Jahre. Noch1995 war Albanien weitgehend ein weisser Fleck auf der Landkarte.
Ich reiste auf einem Schiff von Bari her nach Durres/Durazzo. Als ich vom Hafen her die Stadt Durres betrat, erschien sie mir wie ausgestorben. Eines der ersten Fotosujets waren denn auch Todesanzeigen, die auf Mauern der Häuser geklebt waren. Schwarzgekleidete alte Frauen flüchteten aus Furcht vor dem Fremden in Hauseingänge.
Am Strand tummelten sich Jugendliche, die etwas neuhieriger waren. Eine wahrhaft gastfreundliche Familie in Tirana beherbergte mich für ein paar Nächte, und Xhevat sorgte dafür, dass die Reise in den Süden, an die Grenze zu Griechenland, reibungslos verlief.
1996 Mongolei mit der Tanztheatergruppe Rigolo

1996 durfte ich eine Studienreise des Tanztheaters Rigolo in die Mongolei begleiten. Zur Vorbereitung ihrer Aufführung „Sanddorn“ suchten die Tänzerinnen in der Wüste Gobi die Erfahrung mit dem Sand, der dort in Massen zu finden war. Wir waren mit einheimischen Fahrern und Dolmetscherinnen unterwegs. Trotzdem gerieten wir schon in der zweiten Nacht in der Wüste in eine Überschwemmung. Wir hatten die Zelte in einem ausgetrockneten Flussbett aufgestellt. Fast die gesamte Fotoausrüstung ersoff im Wasser und im Schlamm. Die Einheimischen lachten sich halb tot, als sie von unserem Unglück erfuhren. Aber sie mussten zugeben, dass das Wasser seit Jahren nicht mehr mit solcher Gewalt hereingebrochen war.
2019 Balkanreise mit Trekking

Im September 2019 reiste ich im Autous nach Shkodra, einem Städtchen in Nordalbanien. Ein schrottreifer Offroader brachte ein paar Trekker über eine lehmige Passstrasse ins abgelegene Dorf Theth. Nach ein paar Erkundungstouren führte das Solo-Trekking schliesslich über den Peja-Pass nach Montenegro.
Anschliessend besuchte ich, immer in öffentlichen Autobussen reisend, einige Städte in Albanien, Bosnien Herzegowina und Kroatien. Manche historische Zentren schienen mir für die Touristen herausgeputzt wie Disneyland, nachdem sie im Balkankrieg weitgehend zerstört worden waren. Daneben wurden verbliebene Kriegsschäden wie Reliquien präsentiert: Schaut, was der Feind uns angetan hat! – Der Satan war immer der Andere.